Ostfriesische Möwen

Rassegeschichte

Die Ostfriesischen Möwen gehen auf bereits Anfang des 19. Jahrhunderts im deutsch-niederländischen Grenzgebiet weit verbreitete Sprenkelhühner zurück und sind damit u. a. nahe mit den Brakel und den Westfälischen Totlegern verwandt. Sie waren im dortigen Gebiet als Ostfriesische bzw. Holländische Tot- oder Alltagsleger, im holländisch-belgischen Grenzgebiet als Campiner bekannt, und in Ostfriesland wurden sie auch Möwenhuhn genannt. Dieser Name wird mit der Daunenzeichnung der Küken in Verbindung gebracht, welche der Daunenzeichnung von Möwenküken ähnelt. Die Verbreitung der Möwenhühner ging in dieser Zeit über Ostfriesland hinaus und erstreckte sich bis in die Regierungsbezirke Stade, Lüneburg, Hannover, Osnabrück und Minden.
Erst mit Aufkommen der Farbenzucht wurden die Ostfriesischen Möwen durch die herausselektierte Flockenzeichnung zu Beginn des 20. Jahrhunderst deutlich von den anderen nordwestdeutschen Sprenkelrassen unterschieden. Dabei sind die Möwen mit der heute üblichen Flockenzeichnung offenbar nicht durch Einkreuzen anderer Rassen, sondern durch Auslese aus dem seit langem bestehenden bodenständigen Landhuhnschlag entstanden. Das schließt jedoch nicht aus, dass im 20. Jahrhundert von den Rassegeflügelzüchtern Einkreuzungsversuche mit anderen Rassen durchgeführt worden sind, um beispielsweise das Gewicht der Tiere zu verbessern.
Über die Entstehung der Goldmöwen, die neben den Möwen im Farbschlag silber ebenfalls seit langem vorkommen, gibt es unterschiedliche Angaben. Während Lewald (1994) feststellt, dass es von Beginn an, wenn auch immer in deutlich geringerer Zahl, Tiere im Farbschlag gold gab, so bemerkt Kramer (1926), dass die Goldmöwen erst später durch Einkreuzung entstanden sind. Schmidt (1985) berichtet von goldmöwenähnlichen Hühnern, die bereits 1850 in Braunschweig existiert haben sollen. Der Name Ostfriesische Tot- oder Alltagsleger deutet darauf hin, dass die Tiere bereits von Beginn an in erster Linie Eierlieferanten waren. Lewald (1994) geht für das Ende des 19. Jahrhunderts von einer Legeleistung von etwa 180 Eiern aus. Dürigen (1906) nennt bei freiem Auslauf 120 - 150 oder 170 Eier jährlich. Die Eier werden in dieser Zeit als eher klein, dafür aber wohlschmeckend beschrieben. Im Widerspruch dazu steht die Aussage im Kramer (1926), dass die Eier 55 - 60g schwer seien. Auch Dürigen (1906) gibt ein Gewicht von 50 - 60g an. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts brachten es 16 Hennen eines Züchters anlässlich einer Leistungsprüfung zu der beachtlichen Durchschnitts-Legeleistung von 224 Eiern (Lewald, 1994).
Als typischer Landhuhnschlag mussten die Möwen unzweifelhaft neben ihren Eiern hin und wieder auch einen Braten oder ein Suppenhuhn liefern. Das Fleisch der Möwen wird als feinfaserig, zart und sehr wohlschmeckend beschrieben (Kramer, 1926). Dennoch dürfte die Legeleistung im Vordergrund gestanden haben, wird das Möwenhuhn doch immer wieder als ein eher kleines Huhn beschrieben. Dürigen (1906) gibt ein Gewicht von 2 - 2,5kg für den Hahn und 1,5 - 2kg für die Henne an. In den 20er Jahren werden 2,3kg für den Hahn mit gefordert, für die Henne 1,5kg. Doch selbst bei diesen Werten ist nicht klar, ob sie in der Realität erreicht wurden oder eher Wunschziel waren (Lewald, 1994).
Als wichtig für die Nutzung dieses Huhnes werden immer wieder die Wetterhärte und die Beweglichkeit der Tiere beschrieben, die sie zu eifrigen Futtersuchern machte und für eine unaufwändige Haltung ohne großen zusätzlichen Futtereinsatz prädestinierte.

Rassebeschreibung

Die Hennen sind von Kopf bis Oberbrust reinweiß, die Flockung des übrigen Körpers muss tiefschwarz und recht grob sein. Der Hahn wirkt abgesehen vom tiefschwarzen Schwanz auf den ersten Blick weiß. Das Untergefieder ist jedoch wie bei den Hennen grau. Außerdem zeigt der Hals unter dem Behang eine tiefschwarze Tropfenzeichnung, die sich auch als schwarze Binde auf den Flügeldecken und als leichte Flockung hinter den Schenkeln findet. Die Innenfahnen der Flügel sind grauschwarz, was bei zusammengelegten Flügeln jedoch nicht sichtbar ist.
Der silberne Farbschlag ist, wie bereits oben erwähnt, wahrscheinlich der ursprünglichere und zahlenmäßig immer stärker vertreten gewesen. Der Hahn trägt auf dem mittelgroßen und schmalen Kopf einen einfachen, nur mittelgroßen Kamm, der anders als der Italienerkamm der Nackenlinie nicht folgen soll. Die Henne hat einen kleinen Kamm, der sich im hinteren Teil leicht zur Seite neigen, jedoch nicht liegen darf wie bei der Italienerhenne.
Die Form der Möwen soll der eines typischen Landhuhnes entsprechen, d. h. einem kräftigen, länglichen Viereck mit typisch voller, tief angesetzter Brust und vollem Bauch der Henne. Dürigen (1906) berichtet: In Ostfriesland verlangte man früher, dass der starke Legebauch fast den Boden berühre, was bei den damals niedrigeren Füßen auch leicht zu erreichen war.
Die schieferblauen Läufe sollen mittellang und feinknochig sein. Die Augenfarbe reicht von rotgelb bis dunkelbraun. Ostfriesische Möwen sind lebhafte Hühner, die bei der Futtersuche große Entfernungen zurücklegen. Sie fliegen gut und sind leicht schreckhaft, werden jedoch zutraulich, wenn man sich ausreichend mit ihnen beschäftigt.
Im Standard wird die Rasse als Nichtbrüter beschrieben. Brutlust kommt jedoch in einigen Linien vor. Gluckende Möwenhennen brüten sehr zuverlässig und führen und verteidigen ihre Küken mit großem Einsatz.
Bei freiem Auslauf dürfte der Futteraufwand für Möwen im Sommerhalbjahr reduziert sein. Für eine Haltung auf engem Raum eignet sich diese Rasse wegen ihres Bewegungsdranges nicht.
Aktuelle Zahlen und Leistungsangaben zur Rasse Das Gewicht des Hahnes soll laut Standard 2,25 - 3 kg, das der Henne 1,75 - 2,5 kg betragen. 1951 wurden für den Hahn sogar 2,5 - 3,5 kg gefordert. Diese Gewichte werden heute nicht erreicht, und es ist zweifelhaft, ob das jemals der Fall war. Dessen ungeachtet sehen die Schlachtkörper dieser eher zierlichen Rasse deutlich besser aus als die reiner Legerassen wie der Italiener.
Die Entwicklung der Jungtiere, wie z. B. die Befiederung, verläuft zügig. Über die Legeleistung der Ostfriesischen Möwen liegen kaum aktuelle Zahlen vor. Im Standard werden mindestens 200 weißschalige Eier mit einem Bruteier-Mindestgewicht von 55g gefordert. Es ist davon auszugehen, dass durchgezüchtete Ausstellungstiere über eine wesentlich geringere Legeleistung verfügen und auch geringere Eigewichte liefern.
Die Schlupfraten der Eier von Tieren aus dem GEH-Erhaltungszuchtring sind, soweit sie vorliegen, sehr gut.

Aktueller Stand der Rasseerhaltung

Nach aktuellen Bestandsrecherchen gibt es in Deutschland etwa 1300 Tiere in 122 Beständen. Die Ostfriesischen Möwen werden in der GEH seit 2001 im Rahmen eines Erhaltungszuchtringes betreut, dem zur Zeit 8 Züchter angehören. Im Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG) existiert ein Sonderverein für Ostfriesische Möwen.
Obgleich die Bestandszahlen nicht dramatisch niedrig sind, wird die Eingruppierung der Ostfriesischen Möwen in Kategorie II der Roten Liste dadurch gerechtfertigt, dass sich die Leistungen dieser Rasse zur Zeit nur noch auf einem niedrigen Niveau befinden.
In der heutigen Zeit, in der Hochleistungszucht in der Landwirtschaft und Schönheitszucht im Ausstellungswesen im Mittelpunkt stehen, besteht die Gefahr, dass diese früher sehr geschätzte Rasse verloren geht. Andererseits sind Ostfriesische Möwen attraktive Hühner, und es besteht die Hoffnung, dass sich ihre Nutzeigenschaften im Rahmen des GEH-Zuchtringes wieder deutlich verbessern lassen, sodass die Zukunftsaussichten für diese Rasse unter der Voraussetzung, dass sich weitere Züchter im Erhaltungszuchtring engagieren, vorsichtig positiv eingeschätzt werden.
Verwendete Literatur
Dürigen, Bruno (1906): Die Geflügelzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt. 2. Auflage, Berlin
Kramer (1926): Kramers Taschenbuch der Rassegeflügelzucht. 3. Auflage, Würzburg
Lewald, Adalbert (1994): Ostfriesische Möwen und Zwerg-Möwen. In Laumerich et al.: Nachfahren der Sprenkelhühner Nordwesteuropas. Reutlingen
Schmidt, Horst (1985): Handbuch der Nutz- und Rassehühner. Melsungen
Rassebetreuer:
Michael Ruhnau
Zum Bruch 1
27412 Bülstedt
Tel.: 0 42 83 / 61 02
E-Mail: m-ruhnau@t-online.de